Westfälischer Anzeiger 03.06.2018
Hamm - Wiescherhöfen und Weetfeld haben ein neues Königspaar. Und das im wörtlichen Sinne! Mit Ralf Gockel und Bernd Barkholt-Gockel hat sich im Doppeldorf zum ersten Mal im Hammer Stadtverband ein gleichgeschlechtliches Paar im Endkampf durchgesetzt.
Neben den beiden neuen Majestäten war der erste Vorsitzende der Schützengesellschaft Wiescherhöfen-Weetfeld 1909, Hubertus Petermann, der dritte Anwärter auf die Königswürde. Nach einem spannenden Ringen fegte Ralf Gockel schließlich um 18.40 Uhr die letzten Reste des Adlers "Kurt der Königsflüsterer" aus dem Kugelfang.
Mit dem zwölften Schuss holte sich Dirk Paschen den Apfel, Petermann sicherte sich mit dem 20. Versuch das Zepter. Das Fass traf Steffen Fickermann (23.) und die Krone Friedhelm Gerling (30.).
Nach den ersten Glückwünschen in der Avantgardenlaube genossen die beiden neuen Majestäten die feierliche Proklamation und den Zapfenstreich und regieren nun bis zum nächsten Schützenfest 2019 in Wiescherhöfen und Weetfeld.
Westfälischer Anzeiger 06.06.2018
Ralf Gockel und sein "Prinzgemahl" Bernd Barkholt-Gockel aus Hamm
Hamm - Seit Samstag gibt es in Hamm ein schwules Schützenkönigspaar. Es ist ein viel beachtetes Novum für die Stadt - wenngleich es für das Königspaar selbst überhaupt nichts besonderes ist. In Hamm gab es übrigens auch vorher schon einen homosexuellen König...
Zuspruch bekommen der 51-jährige König Ralf Gockel und sein 47-jähriger Prinzgemahl Bernd Barkholt-Gockel dabei nicht nur von ihrem eigenen Verein, der Schützengesellschaft Wiescherhöfen-Weetfeld. „Bei uns im Schützenverein ist das überhaupt kein Thema und war es auch noch nie“, sagt der neue Regent. „Wir leben offen schwul. Es sollte das normalste der Welt sein“, fügt er hinzu.
Diskussionen habe es auch über die Pfingsttage nicht gegeben. Im Gegenteil: „Am Sonntag waren viele Gastvereine da, und wir haben von allen nur positive Rückmeldungen und Unterstützung bekommen“, erklärt der 51-Jährige.
Vor drei Jahren seien er und sein Lebenspartner Bernd in den Schützenverein eingetreten und hegten seither den Wunsch, einmal König zu sein. Am Samstagabend kämpften beide bis zum Schluss um die Königswürde. Und werden diese nun bis zum nächsten Schützenfest zwei Jahre lang inne haben.
„Sie sind beide im Verein gern gesehen und sehr engagiert“, freut sich auch der zweite Vorsitzende, Volker Niermann, dass das Paar seinen Traum nun erfüllte. „Es passt zu unserem Zeitgeist“, so Niermann weiter.
Genauso sieht es auch der Schriftführer der Avantgarde, Cedric Sporkert. „Unser Vereinsmotto ist schließlich ,Der Tradition die Treue, der Moderne das Neue’“, sagte er.
Großes Medieninteresse zog bereits vor zwei Jahren ein schwules Schützenkönigspaar auf sich, damals in Düsseldorf. Dirk Jehle und der gebürtige Hammer Udo Figge standen offen dazu und erteilten der „Alibi-Königin“ eine Absage.
Glückwünsche für das neue Königspaar kamen auch vom Stadtverband der Hammer Schützenvereine. "Wir sollten es akzeptieren und tolerieren, denn das Königspaar der Schützengesellschaft Wiescherhöfen-Weetfeld 1909 e.V. hat (...) gezeigt, dass es Teil der Schützenfamilie ist", heißt es in einer Stellungnahme auf der Facebookseite des Verbands. Und weiter: "Gemeinsam sind wir stark. Glückwunsch an die neuen Majestäten und dem Vorstand."
Westfälischer Anzeiger vom 01.06.2019
Ralf und Bernd Gockel danken ab
Hamm – Als erstes schwules Königspaar in Hamm haben Ralf und Bernd Gockel vor zwei Jahren die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Nun heißt es Abschied nehmen. Zeit für eine persönliche Bilanz.
An diesem Samstag ermittelt ihr Verein, die Schützengesellschaft Wiescherhöfen-Weetfeld, eine neue Majestät. WA.de bat scheidenden König, Ralf Gockel, und seinen Prinzgemahl Bernd zum Interview.
Nach zwei Jahren endet Ihre Regentschaft. Was überwiegt: das weinende oder das lachende Auge?
Ralf Gockel: Das ist eine schwierige Frage. Ich würde sagen, es ist sowohl als auch. Wir hatten zwei super Jahre und es geht uns schon nahe, dass wir jetzt aufhören müssen. Andererseits war die letzte Zeit auch stressig.
Bernd Gockel: Aber der Stress hielt sich in Grenzen. Und vor allem: Es war immer positiver Stress. Wir waren viel unterwegs – auch bei Vereinen, zu denen unsere Schützengesellschaft sonst nicht eingeladen wird. Uns war es wichtig, gerade dann zu erscheinen, wenn wir als „besonderes“ Königspaar eingeladen waren. Aber wir haben es gerne gemacht. Wir haben uns auch immer wohl gefühlt und viel Spaß gehabt. Das ist überhaupt der Faktor, warum man so etwas machen sollte. Daher haben wir mit Sicherheit ein großes weinendes Auge, aber auch ein lachendes Auge, weil wir wissen, dass es ein neues Königspaar geben wird und wir uns im Hofstaat entspannt zurücklehnen und mitfeiern können.
Haben Sie es erwartet, dass Ihre Regentschaft so viele Reaktionen auslöst?
Ralf Gockel: Nein. Definitiv nicht. Ich hätte nie gedacht, dass das solche Wellen schlagen wird. Das hat mich überrascht.
Bernd Gockel: Das stimmt. Wir selbst haben uns aber nie als etwas „Exotisches“ angesehen.
Gab es vor Ihnen schon einmal ein schwules Königspaar in Deutschland?
Ralf Gockel: Das erste sind wir auf keinen Fall. Es hat schon einmal eines in Münster gegeben, das aber echte Probleme hatte. Das hätten wir dann nicht gemacht. Wir haben immer mit offenen Karten gespielt und gesagt, dass jeder von uns gerne König werden und den anderen zum Prinzgemahl nehmen möchte. Unser Verein hatte damit überhaupt kein Problem.
Bernd Gockel: Wenn vom Verein das Signal gekommen wäre, es besser sein zu lassen, hätten wir es nicht gemacht.
Was ist bei einem schwulen Königspaar anders als beim „klassischen“ Königspaar Mann/Frau?
Bernd Gockel: Ich habe zum Beispiel nicht die rote Königinnen-Schärpe des Vereins getragen. Das wollte ich nicht. Meine Schärpe war grün-weiß und mit einer Krone bestickt. Bei der Proklamation hat auch niemand daran gedacht, mir die Krone aufzusetzen, die der Königin zusteht. Das war mir sehr wichtig. Denn ich bin der Prinzgemahl, nicht die Königin. Bei uns gab es auch nicht den traditionellen Königstanz. Statt miteinander haben wir nacheinander mit den Damen aus unserem Hofstaat getanzt, die dann von ihren Männern abgelöst wurden.
Ralf Gockel: Und am Ende waren wir es, die am Rande gestanden und im Takt geklatscht haben.
Vielen Schützen wird nachgesagt, dass sie Traditionalisten sind. Wie war deren Reaktion auf ein schwules Königspaar?
Bernd Gockel: Man merkt natürlich schon, dass man von Traditionalisten auch ein bisschen anders beäugt wird. Das ist so. Damit haben wir auch gerechnet, dass es Leute geben wird, die uns angucken und sich ihren Teil denken. Aber uns gegenüber hat keiner direkte Kritik geäußert. Nicht einer.
Insgesamt ziehen Sie beide also ein positives Fazit?
Bernd Gockel: Auf jeden Fall! Die Resonanz war fast ausschließlich positiv. In der Gay-Community haben sie gesagt, dass es super ist, dass wir ein Zeichen gesetzt haben. Und aus dem Schützenwesen kam „Toll, dass ihr den Mut hattet, das zu machen“ oder „Toll, dass ihr zu dem steht, was ihr seid“.
Schwule Männer haben uns immer wieder gesagt, dass wir in einem solch großen Verband wie dem Stadtverband der Hammer Schützenvereine eine Lanze für Schwule gebrochen haben und sie jetzt vielleicht auch den Mut finden, diesen Weg zu gehen. Das freut uns natürlich sehr und das genießen wir auch, das Männer so viel Vertrauen in uns haben. Ziel war das nicht. Es ist aber ein schöner Nebeneffekt unserer Regentschaft. Auch und gerade in den Zeiten, wo die rechten Kräfte stärker werden. Da ist es wichtig, dass man sich positioniert.
Jetzt endet Ihre Regentschaft, Es gibt natürlich die Option, dass jetzt der Prinzgemahl König wird...
Bernd Gockel (lacht): Erst einmal nicht. Aber, und die Ansage habe ich am Wochenende beim Jubiläumsfest in Lerche-Rottum-Derne gemacht: Ich werde auch noch einmal Schützenkönig! Das habe ich mir fest vorgenommen – vielleicht in vier, sechs oder acht Jahren.
Ralf Gockel: Wir wollen die Zeit danach genießen und auf den Schützenfesten das eine oder andere Bierchen mehr trinken (lacht). Denn als Königspaar – und als schwules Königspaar noch ein wenig mehr – standen wir im Mittelpunkt. Und: Wir waren die ersten Repräsentanten unseres Vereins.